Tag 8: Glencoe Mountain Resort - Kinlochleven Wald / Old Military Road
- Lena Stabel
- 24. Jan.
- 5 Min. Lesezeit
Arktische Verhältnisse
Die eiskalten Füße ließen mich am nächsten Morgen wach werden. Trotz warmer Kleidung und dicker Socken war uns einfach nur kalt. Wenigstens verhieß der Himmel brauchbares Wetter. Nachdem unsere Sachen gepackt waren, kauften wir ein paar Riegel, etwas Wasser und zwei Scones im Café ein. Eigentlich nicht viel, die wollten aber 20 Pfund dafür. Wucher. Die Monopolstellung nutzten sie eiskalt aus... Immerhin waren die Scones lecker. Nach dem Essen gingen wir raus, Anne ging nochmal kurz ums Eck und ich unterhielt mich kurz mit einem älteren Schotten. Der Morgen war wunderschön und er erzählte mir, dass er nun zur Küste fahren würde, weil es dort weniger Midges gibt. Verständlich. Er wünschte uns viel Erfolg und verließ mich dann. Ich sah ihm nach, wie er mit seinem kleinen Hund zum Auto trottete.
Handzahme Hirsche
Nachdem Anne zurück war, machten wir uns langsam aber sicher auf den Weg. Die Sonne, der blaue Himmel und die angenehmen Temperaturen wollten ausgenutzt werden. Zunächst ging es am Kingshouse Hotel vorbei, welches im Reiseführer mit den handzahmen Hirschen beworben wird, die dort ab und an zu sehen sind. Ich rechnete nicht fest damit, an diesem Tag welche zu Gesicht zu bekommen, aber das Wetter war super und so unternahmen auch drei Hirschkühe und ein Junges einen Spaziergang. Ich erblickte sie schon aus 200m Entfernung. Auf diesen Streckenabschnitt hatte ich mich still und heimlich gefreut. Spaß... ich hatte Anne die letzten - mindestens - 2 Tage mit dem Satz "Ich freu mich auf die handzahmen Hirsche" genervt. Auf Streicheleinheiten hatten die Tiere dennoch wenig Lust. Gegen etwas zu fressen hätten sie sich aber bestimmt bestechen lassen. Jedenfalls ließen sie sich nicht durch die Menschen beirren, die plötzlich aus ihren Löchern krochen, um die Hirsche zu fotografieren. Das Rascheln der Tasche einer Toruistin lockte eine Hirschkuh gerade dann weg, als ich sie beinahe an der Schnauze berührt hätte. Schaaade... Da wir nicht für immer hier bleiben konnten und erst ca. 1-2 Kilometer hinter uns gebracht hatten, zerrte uns unser nächstes Ziel zurück auf den Weg. Denn der höchste Punkt des WHWs stand an.
Devil's Staircase
Ja, Devil's Staircase. Der Name ist schonmal vielversprechend. Über diesen Wegabschnitt gelangt man auf einen über 700 Meter hohen Punkt, von dem aus man eine schöne Aussicht haben soll. Wenn das Wetter gut ist zumindest. Vor dem Aufstieg genehmigten wir uns eine Pause, es war richtiges Orangenwetter, sprich: Zeit für eine Orange! Anne schälte als Erste ihre Orange und zuckte kurz. "Hoppla, ich dachte eben, ich hätte mir in den Finger geschnitten!" Hatte sie aber nicht. Beim nächsten Schnitt aber dann. Das Blut floss in einem strömenden Rinnsal ihren Daumen herab und war kaum noch zu stoppen. Zum Glück hatte ich mein Erste-Hilfe-Set am Start und konnte Anne wieder zusammenflicken, bevor eine Bluttransfusion oder Amputation nötig gewesen wäre. Mit genug Band befestigte ich fachmännisch das Pflaster. Diese Krise hatte ich abgewendet. Aus Angst vor den sich auftürmenden Wolken machten wir uns nach dem Verzehr der Orange wieder auf den Weg. Der Anstieg war schon anstrengend. Aber durchaus machbar. Ein weiteres Mal galt unser Fluchen den Rucksacklosen. Zum Glück zog der REgen durch das Tal an uns vorbei, sodass wir beim Wandern diese eine Sorge weniger hatten. Lediglich auf die uns entgegenkommenden Downhill-Biker mussten wir noch achten. Total ramponiert sahen die aus. Die hatten nicht nur nicht mehr alle Tassen im Schrank, sondern auch nicht mehr alle Zähne im Mund.
Den Weg stetig vorankämpfend, stöhnend, nach Luft ziehend und nur kurz vorm Ertrinken im eigenen Schweiß erreichten wir den Gipfel. Dort hatten wir eine schöne Sicht bis zum Glencoe Mountain Resort. Auch wenn das sicher kein Platz war, auf den ich mit riesiger Freude zurückblickte. Ein ebenso schmaler Weg wie wir ihn gerade schon bewandert hatten, führte zum Gipfel des Berges weiter. Wir ließen ihn aus, die Aussicht von hier reichte uns und wir hatten wieder mal Angst, dass die Sonne uns auf ein Neues nur etwas vorgaukelte und sich schon bald wieder hinter Wolken verkrümeln und den Regen vorschicken würde. Die schweren Rucksäcke waren mit Sicherheit auch ein gültiges Argument.
Moving on
Also, weiter. Schon nach wenigen Metern beschlossen wir, doch eine kurze Pause einzulegen. Ein vermeintlicher Schotte, der dann doch einfach nur ein kreidebleicher Deutscher war, schoss noch ein Foto von Anne und mir. Schee. Dann riefen wir nochmal die Blasenfee zu rufen. Half aber auch nix mehr. Wir versorgten unsere wunden Füße und liefen dann weiter. Auf unserem weiteren Weg überlegte ich mehrmals, mir die kleinen Zehen mit einer stumpfen Schere zu amputieren, weil sie so sehr schmerzten, dass ich kaum noch klar denken konnte. (Die Hyperbel ist mein liebstes Stilmittel).
Der Reiseführer hatte auch für diesen Wegabschnitt einen hilfreichen Tipp auf Lager: "Wer hier Stöcke hat, schont sich die Knie." Danke.
1. Für den Abstieg des Conic Hill war Derartiges nicht im Reiseführer vermerkt. Und das war wirklich anstrenged gewesen.
2. Sooo steil war es auch wieder nicht (oder hatten wir uns einfach daran gewöhnt?).
3. Wer an TAG 8 (!!) keine Stöcke hat, braucht auch keine mehr. Entweder, die Knie sind schon Matsch, oder man hat sich dran gewöhnt. Oder man hat eine super Kniemuskulatur. Auf jeden Fall braucht man an Tag 8 keine mehr zu kaufen. Wo auch?
Aber weiter im Text...
Der ach so steile Abschnitt führte uns jedenfalls über wunderschöne Wege mit toller Aussicht bei perfektem Wanderwetter hinab in Richtung Tal. Kinlochleven wollten wir heute nicht mehr erreichen, aber wir hofften auf ein schönes Plätzchen möglichst nah davor. Nach einiger Zeit stießen wir, wie im Reiseführer angekündigt, auf die "Old Military Road", eine alte Militärstraße, die nicht befestigt ist und sich im zustand eines guten Feldweges befindet. Dennoch wird sie heute noch immer von einigen Menschen verwendet, bspw. zum Zwecke von Forstarbeiten oder Ähnlichem. Natürlich nur mit entsprechenden Autos.
Schlafen auf der Straße und ... Midges!
Entlang dieser nur sehr wenig befahrenen Straße fanden Anne und ich auch schon bald ein recht gutes Plätzchen. Geschützt und nicht im Matsch. Die zwei Grundkriterien waren also erfüllt. Leider waren hier unglaublich viele Midges. So viele hatten wir noch nirgends auf dem Weg gehabt. Beim Zeltaufbau gaben wir also dementsprechend Gas, während Anne von den herumschwirrenden Fliegen erneut einen Panikanfall erlitt. Das war also Warnstufe 5/5. Eigentlich wollten wir auch draußen essen und kochen, aber die Viecher fanden ihren Weg unter den Netzen hindurch auf unsere Gesichter und zusätzlich näherte sich einmal mehr eine kleine Regenfront. Also verkrochen wir uns ins Zelt und kochten in unserem kleinen Vorzelt unsere Leckereien. Wir hatten unglaublichen Hunger und die "mug shots", die wir im Markt in Crianlarich erworben hatten, waren wirklich nur Shots. Lecker, aber viel zu wenig. Deshalb schoben wir noch eine Packung Buchstabensuppe hinterher und waren alsbald gesättigt. Als wir dann mit vollgeschlagenen Bäuchen im Zelt saßen, bemerkten wir schon, dass es ein Fehler gewesen war, dass wir vorhin entschlossen hatten, das Zelt NICHT um 20 cm nach rechts zu verschieben. Innen rutschten die Schlafsäcke und Isomatten ständig nach rechts und es versprach eine unbequeme Nacht zu werden. Jedenfalls wollten wir jetzt, wo alle Sachen im Zelt verstaut waren, auch nicht mehr anfangen.
Die Nacht auf Tag 9
Tatsächlich, ich schlief beschissen. Ständig rollte sich - ohne eigene Schuld sondern aufgrund unserer beider Unvermögen, das Zelt richtig zu positionieren - auf mich und meine Isomatte rutschte so weit nach rechts, dass sie sich am Mückennetz zum Vorzelt aufstellte und ich nur noch 1/2 Isomatte hatte. Außerdem war es wieder ziemlich kalt und meine neue Technik, einfach 2 Paar Socken anzuziehen, half nicht besonders viel. Kurz und gut: Viel Schlaf und Erholung war heute nicht drin.









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